Wenn sich ein Team nach 13 Spielen mit lediglich drei Siegen auf dem vorletzten Platz in der Conference-Tabelle wiederfindet, dann liefert das allen Grund zur Panik. Gut, im Westen stehen hier die kaum ambitionierten Kings und schielen mit ihren Augen sowieso nur Richtung Draft 2014, doch im Osten finden sich auf dem besagten 14. Platz die Brooklyn Nets wieder. Ja, die schicken Nets aus Brooklyn, die in dieser Saison samt Luxussteuer satte 190 Millionen Euro für ihren Kader berappen müssen. Die schicken Nets, die das Zepter der Weltmetropole New York an sich reißen wollten und nun sogar hinter ihrem hilflos und teils lächerlich auftretenden Erzrivalen, den Knickerbockers, stehen. Da sollten doch die Alarmglocken läuten. Da müssten am Stuhl von Rookie-Coach Jason Kidd doch bereits drei Beine ab- und das Vierte angesägt sein. Da müssten die Kalaschnikows von Owner Mikhail Prokhorov den Spielern doch schon auf die Brust gesetzt worden sein (Der gute Milliardär bezahlt den Laden ja schließlich).

Brooklyn Nets Team

Das Stimmungsbild der Nets: Verletzte Spieler und enttäuschte Gesichter.

Viele Verletzungen, wenig Eingewöhnung

Ja, da hätten einige schon längst vehement den Panic Button eingedrückt, doch in Brooklyn erlebt man nichts dergleichen. Dort lautet das Motto vielmehr: „Don´t panic!“. Und das ist richtig so. Denn seien wir mal ehrlich: Eine Starting Five um Deron Williams, Joe Johnson, Paul Pierce, Kevin Garnett und Brook Lopez sowie eine Bank um Jason Terry und Andrei Kirilenko wird das Schiff schon schaukeln. So war die Erwartungshaltung vor der Saison und so ist sie weiterhin. Denn die komplette Truppe stand Jason Kidd bisher ja kaum zur Verfügung. Mit Sprunggelenksproblemen verpasste Deron Williams zuletzt vier und Brook Lopez fünf Spiele. Andrei Kirilenko (Rücken) kam neun Mal nicht zum Einsatz und Jason Terry (Knie) konnte die letzten zwei Spiele nicht mitwirken. Paul Pierce und Kevin Garnett (je ein Spiel) hatten auch mit dem einen oder anderen Wehwehchen zu kämpfen und damit ist Joe Johnson der einzige Net, der bislang in allen 13 Partien von Beginn an auf dem Parkett stand. Fünf Mal musste Jason Kidd seine Starting Five alleine in den letzten sechs Spielen umbauen. Eingewöhnungszeit, und diese brauchen die neuformierten Nets ohne Zweifel, sieht anders aus.

„J-Kidd“, „KG“ und „The Truth“ in der Pflicht

Und somit ist es auch verständlich, warum Owner Mikhail Prokhorov seinem Rookie-Coach Jason Kidd mit einem klaren Bekenntnis jüngst den Rücken stärkte. Auch die Spieler stellten sich hinter die 40-jährige NBA-Legende, die nach der 98:108-Heimniederlage gegen Portland noch die Schuld auf sich nahm und von „schlechten Coaching-Entscheidungen“ sprach. Sie hielten nach der Pleite ein internes Teammeeting ab und Paul Pierce machte unmissverständlich klar: „Wir sind total unzufrieden. Niemand will hier verlieren. Und wir tragen alle die Schuld dafür. Die Spieler, die Trainer, dies ist eine große Gruppe und wir sitzen alle im selben Boot. Es ist also nicht nur Kidd“. Und besonders die Neuzugänge Paul Pierce (13 PPS, 37,0 FG%) und Kevin Garnett (6,5, 34,9) stehen jetzt in der Pflicht. Aufgrund ihrer Leaderqualitäten, ihrer Erfahrung und ihrer Toughness als große Hoffnungsträger nach Brooklyn geholt, spielen beide bisher deutlich (!!! – hier könnte man nicht genug Ausrufezeichen setzen) unter ihren Möglichkeiten. In beiden genannten Kategorien liefern sie mit Abstand (!!! – siehe oben) Career-Lows ab.

Paul Pierce

Paul Pierce ist bisher ein Schatten seiner selbst.

Aus solchen Löchern kommt man nur mit Spielzeit wieder heraus und hier ist wiederum Coach Kidd gefragt. Ohne Williams und Lopez, sowie zwei potenten Bankspielern kann er im vierten Viertel nicht seine alten Hasen schonen. Das war der Plan, wenn man einen Blow-Out-Sieg nach dem anderen einfährt, doch derzeit müssen die Nets jeden Abend aufs Neue aufpassen, dass sie nicht selbst unter die Räder kommen. Die Devise muss also vorerst lauten: Gewinnen um jeden Preis. Denn mit einigen Spielern, die besser in der D-League aufgehoben wären, gewinnt man in der Crunchtime gegen kaum ein Team in dieser Liga (bewusst die Formulierung„kaum ein Team“, weil ich mir bei Utah derzeit nicht sicher wäre). Diese Erfahrung haben die Nets am Sonntagabend beim 97:109 gegen die Pistons einmal mehr machen müssen, als Pierce und Garnett satte acht Minuten des Schlussviertels auf der Bank versauerten. Die Nets wurden anschließend vom eigenen Publikum ausgepfiffen.

Die Anhänger verlieren also langsam die Nerven und auch einige Journalisten (Bill Simmons sprach davon Brook Lopez zu traden) nehmen den Panic Button ins Visier. Da ist es eine gesunde Abwechslung, dass zumindest das direkte Umfeld der Brooklyn Nets sich bemüht Ruhe zu bewahren. Zukünftige Hall-of-Famer wie Paul Pierce, Kevin Garnett und Jason Kidd haben schließlich noch nie enttäuscht. Die Frage lautet jedoch: Wie lange noch? Denn weitere drei Siege aus zehn Spielen können sich selbst geduldige Nets nicht erlauben. Und das werden sie auch nicht! Zu groß ist die Qualität im Kader. Vor allem dann, wenn mit Williams und Lopez die „Young Guns“ zurückkehren. Doch bis dahin müssen die alten Kapitäne das im Atlantik sinkende Schiff wieder auf Kurs bringen, bis es wieder heißt: Hello Brooklyn!