Am 1. März verlor Basketball-Deutschland einen seiner größten Helden: Christian Welp verstarb mit nur 51 Jahren. BASKET blickt auf die Legende zurück, die jeder deutsche Basketballer kennen muss!

Wer den Namen Christian Welp hört, denkt automatisch an das EM-Finale 1993 in München: Deutschland kämpft gegen Russland um den Titel, und drei Sekunden vor Spiel ende bringt der Center die Deutschen mit einem Dunk plus Bonus-Freiwurf mit 71:70 in Front. Die Russen verwerfen ihren letzten Versuch von der Mittellinie denkbar knapp, Deutschland ist Europameister, Spieler, Betreuer und Fans rasten aus, stürmen das Feld, und der Held sprintet währenddessen schnurstracks in die Kabine. Grund dafür war eine Knieverletzung in den ersten Jahren seiner Karriere. „Er hatte Angst, dass beim Feiern alle auf ihn springen würden und sein Knie das nicht aushalten würde“, verrät Welps bester Kumpel, Heimo Förster, gegenüber BASKET.

Doch der Mann, der Deutschland als Turnier-MVP zum bisher einzigen EM-Titel führte und am 1. März mit 51 Jahren viel zu früh verstarb, war mehr als der EM-Held. „Ein einzigartiger Mensch und toller Freund“, sagt Förster.

Verhalf der Deutschen Nationalmannschaft 1993 zum Titelgewinn: Christian Welp (Foto: IMAGO)

Verhalf der Deutschen Nationalmannschaft 1993 zum Titelgewinn: Christian Welp (Foto: IMAGO)

Mehr als der EM-Held

1991 kam Welp nach Leverkusen, und der Grundstein für eine innige Freundschaft war gelegt. „Wir haben uns bei Auswärtsspielen immer ein Zimmer geteilt, haben über alles gesprochen, hatten keine Geheimnisse voreinander. Er war wie ein Bruder für mich“, erzählt Förster. Dabei hätten die beiden auf dem Court kaum unterschiedlicher sein können: Förster war ein Rollenspieler und Welp ein Star – in seinen vier College- Jahren (1983–87) für die Washington Huskies stellte er zahlreiche Rekorde auf, die teilweise noch heute gültig sind. 1987 wurde der in Delmenhorst geborene Christian Ansgar Welp von Philadelphia an 16. Stelle gepickt, spielte zwei Jahre für die 76ers, danach für San Antonio und Golden State, insgesamt drei in der NBA.

Gemeinsam feierten sie mit den „Riesen vom Rhein“ fünf Meisterschaften in Folge sowie zwei Pokalsiege. Dann verließ Welp den Verein, um je eine Saison bei Olympiakos Piräus, ALBA Berlin und Viola Reggio Calabria zu spielen, wo er weitere Titel gewann.

Der Kontakt zu seinem Leverkusener Freund blieb dabei immer bestehen. „Wir haben uns regelmäßig besucht. Wenn er hier war, hat er bei mir gewohnt“, erinnert sich Förster und bedauert: „Ich  finde es wirklich schade, dass Chris immer auf die EM 93 reduziert wird. Ich meine: Er war einer der besten europäischen Basketballer damals, hat so viel gewonnen und geleistet. Das übersehen die meisten Menschen aber, weil sie nur an die EM denken.“

Richtig: Christian Welp war ein Winner, der seine Teams besser machte und immer zum Erfolg führen wollte – auch als Co-Trainer der deutschen Basketball-Nationalmannschaft (2004–06). Ein Mann fürs Rampenlicht war der 2,12-Meter-Hüne allerdings nicht. Er hielt sich gerne zurück, wenn die Kameras und Mikrofone der Journalisten auf Spielerzitate warteten. Bekam man aber doch die Möglichkeit, mit dem Big Man zu sprechen, war er stets höflich und freundlich. Nicht nur viele Jungs aus Leverkusen wuchsen mit ihm als Vorbild auf und wollten später einmal so werden wie er: ein genialer Basketballer und sympathischer, toller Typ!

Treuer Naturfreund

Chris war nämlich nicht nur ein talentierter Baller, sondern hatte vor allem auch einen überragenden Charakter. „Profisportler sind ja immer ein wenig introvertiert, in gewisser Weise ist das auch ein Schutzmechanismus, aber wer Chris außerhalb des Sports erlebte, sah den einzigartigen Menschen und Freund. Ich habe nie einen zweiten Menschen wie ihn getroffen“, sagt Förster, der nach Welps Karriere weiterhin eng mit ihm befreundet blieb.

Auch die Tatsache, dass Chris in die USA zog, um dort zu leben, konnte die beiden Freunde nicht trennen. Der Umzug Richtung Seattle kam ja auch nicht überraschend, hatte sich der Center doch schon während seiner Unizeit in die dortige Landschaft und Mentalität verliebt. „Da passte er perfekt hin, er hat die Natur geliebt“, bestätigt Förster. Welp legte sich ein Ferienhaus am See zu, in das der dreifache Familienvater an Wochenenden fuhr, und genoss dort einfach nur die Natur. Mit dem Boot auf den See fahren, angeln und den Fang auf einem selbst gebastelten Grill zubereiten oder einfach durch den Wald ziehen und jagen: Das war eben auch ein Teil von Christian Welp.

Und dann gab es noch eine weitere Leidenschaft, wie sein Freund Heimo Förster verrät: „Wenn ich drüben war, sind wir fast immer zu Boeing gefahren. Da stand Chris dann und hat stundenlang dabei zugesehen, wie die Flugzeuge gebaut wurden. So etwas hat ihn fasziniert, denn er war ein Typ, der alles selbst machen wollte und speziell im technischen Bereich eine Menge auf dem Kasten hatte.“

Für immer und ewig

In diesem Jahr wollte Welp wieder nach Deutschland kommen, um unter anderem seinen langjährigen Freund zu besuchen, doch ein Herzinfarkt, den er an seinem Ferienhaus erlitt, beendete das Leben der Basketball-Legende leider viel zu früh …

Wer in Zukunft den Namen Christian Welp hört, wird weiter an seine Heldentaten von 1993 denken. Aber wer diesen Artikel gelesen hat, wird hoffentlich nicht nur daran denken, sondern auch an den sympathischen und tollen Menschen, der er zweifelsfrei war.

Dieser Artikel gibt’s in BASKET 5/2015.