In der NBA war die Nachfrage nach Rico Gathers von den Baylor Bears eher mäßig. Doch in der National Football League leckten sich Manager und Scouts die Finger nach dem massigen Power Forward, er ging in der sechsten Runde des NFL-Drafts nach Dallas. BASKET stellt euch den Neu-Footballer genauer vor!

Rico Gathers blockt einen Wurf während eines College-Spiels.

Die Defense war auf dem Basketball-Court die große Stärke von Rico Gathers.
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Freiwilliges Training-Camp der Dallas Cowboys, in der brütenden Frühlingshitze von Texas. Zum ersten Mal schart „America’s Team“ die Kolosse um sich, welche die altehrwürdige Franchise aus der National Football League wieder zum Super Bowl führen sollen. Grimmige, gewaltige Line-Spieler mit dem Körperbau von Bären, drahtige Secondary-Spieler, athletische Wide-Receiver mit Sprinter-Statur, smarte Quarterbacks mit Modelfigur. Auf den ersten Blick fällt nichts Besonderes auf an der Traube um Headcoach Jason Garrett. Doch schaut man genauer hin, ragt ein Spieler aus der Gruppe heraus – um circa einen halben Kopf!

Rico Gathers stand vor nur ein paar Monaten noch mit wesentlich längeren, schlaksigeren Mannschaftskameraden im Team-Huddle. Seine Sneaker hatten keine Spikes, statt Gras war Hardwood unter seinen Füßen. Und Shoulder-Pads brauchte er auch nicht. Der ehemalige Power Forward der Baylor Bears hat -seiner Basketball-Karriere den Rücken gekehrt und versucht sich jetzt als American-Football-Profi auf der Position des Tight-Ends. Eine Herzenssache für ihn. „Ich habe das letzte Mal mit 13 Jahren Football gespielt, doch es spukte mir seitdem immer im Kopf herum“, verrät der 2,03 Meter große und 125 Kilogramm schwere Gathers. „Und irgendwie war Football immer meine erste Liebe. Ich habe zwar damals aufgehört, aber ich habe nie meine Leidenschaft für das Spiel verloren.“ Und nun versucht er, in eben dieser Leidenschaft seine Zukunft zu finden!

Keine NBA-Chance
Eine Zukunft, die nicht wenige in der NBA sahen. Gathers gehörte in seinen letzten zwei Jahren zu den Führungsspielern Baylors und war als Junior mit 11,6 Boards pro Spiel bester Rebounder der renommierten BIG-12-Conference. Er war ein Power Forward der alten Schule, breitschultrig, rabiat und physisch. Ein echter Bulle unter dem Korb. Den Scouts aus der besten Basketballliga der Welt fehlten bei ihm aber  einige Eigenschaften. Gathers war ihnen nicht vielseitig genug, etwas zu klein und seine Masse war im immer schneller werdenden NBA-Game eher eine Schwäche. Nicht unbedingt rosige oder sichere Aussichten in Sachen Karriereplanung. Die Schönheit liegt aber bekanntlich im Auge des Betrachters, und für die Talentsucher der NFL ist Gathers der Prototyp eines ungeschliffenen Rohdiamanten.

Gathers beim Training mit den Dallas Cowboys. Foto: getty images

Der 22-Jährige beim Training mit den Dallas Cowboys.
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„Viele dachten, ich wäre verrückt, als ich meine Absicht äußerte, Football-Profi zu werden“, erinnert sich Gathers zurück an die Entscheidung nach seiner College-Basketball-Karriere. „Doch sowohl am College als auch von der NFL konnte ich ehrliches und großes Interesse spüren.“ Baylors Football-Coach Art Briles hätte Gathers am liebsten noch ein Jahr am College gehalten. Zu einem öffentlichen Vorbereitungstraining erschienen Offizielle von 24 NFL-Teams. Reges Interesse für einen Mann, der das letzte Mal vor acht Jahren auf dem Football-Feld aktiv war. Schließlich zogen ihn die Dallas Cowboys in der sechsten Runde (Pick Nummer 217) des NFL-Drafts – mit der Hoffnung, dass sich Geschichte wiederholt. Denn vor Gathers tauschten schon einige Top-Athleten die Basketball-Sneaker ein und wurden in der NFL zu Superstars. Spieler wie Tony Gonzalez, Antonio Gates oder Jimmy Graham gehören zu den dominantesten Tight-Ends, die es in der NFL je gab.

Zeit zur Entwicklung
Um dahin zu kommen, steht Gathers vor einem Berg von Arbeit. Er muss seinen Körper vom Basketballer zum Footballer verwandeln und arbeitet akribisch im Traction-Performance-Center in Baton Rouge an sich. Unter anderem trainiert er hier mit NFL-Quarterback-Veteran Matt Flynn. „Er hat eine schwierige Aufgabe vor sich, denn ihm fehlen gegenüber seinen Kontrahenten zehn Jahre“, erzählt Flynn vom langen Weg, den Gathers vor sich hat. „Er hat gerade im technischen Bereich viele Nuancen zu lernen. Das Laufen von Passrouten, das Blocken in der Line und auch mit Hits umzugehen. Aber er macht sich klasse.“ Auch Dallas-Coach Jason Garrett ist von den ersten „Schwimmversuchen“ seines jungen Schützlings beeindruckt, ohne dabei die Realität aus dem Auge zu lassen. „Er ist definitiv kein Fisch auf dem -Trockenem. Rico ist ein absoluter Top-Athlet und war ein sehr physischer Basketballspieler, einige seiner Rebound-Fähigkeiten werden ihm auch auf dem Footballfeld zu Gute kommen“, so Garrett. „Aber er muss sich erst entwickeln. Diese Zeit werden wir ihm geben.“

Das sollten die Cowboys, denn diese Art von Talententwicklung zahlte sich bei einigen Basketballern vor Gathers aus. Auch Gonzalez, Gates und Co. brauchten eine Eingewöhnungsphase, um sich an Härte, Tempo und spielerische Abläufe der NFL zu gewöhnen. Gathers freut sich auf genau diese Aufgabe und glaubt an seine Chance. „Seit ich sieben Jahre alt bin, träume ich davon, in der NFL zu spielen“, erinnert sich Gathers an seine Kindheit. „Jetzt, da ich so nah dran bin, werde ich alles dafür tun, dass es klappt.“

Und dann will Gathers nicht nur durch seine Körperlänge, sondern auch durch Touchdowns aus der Menge herausstechen …

Der Artikel erschien in der aktuellen BASKET-Ausgabe 07-08/2016!
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