In der NBA ist es fast gang und gäbe: Die Bewertung der Top-Spieler erfolgt oft auf Basis ihrer Championship-Ringe. Für andere NBA-Fans jedoch zählen auch andere Gründe. Die Frage also bleibt: Ist es fair, dass bei der Bewertung der besten NBA-Spieler oftmals nur Meisterschaften zählen? Unsere Redakteure Thomas Werner und Markus Unckrich haben da unterschiedliche Ansichten. Lest selbst:

Thomas Werner
„Das System hat keine Logik“

Ganz ehrlich: Ich verstehe das System nicht, das sich einige Menschen bei ihrer persönlichen Bewertung von NBA-Spielern zurechtlegen. Ein Beispiel zum Mitdenken: Ich soll es akzeptieren, dass Wilt Chamberlain im imaginären „NBA-Legenden-Ranking“ hinter Bill Russell gesetzt wird, nur weil der mehr Titel gewonnen hat? Warum vergöttern wir dann Michael Jordan (sechs Titel in 14 NBA-Jahren) als besten Spieler aller Zeiten, wenn Bill Russell elf Titel in 13 Jahren gesammelt hat? Oder ein weiteres Beispiel: LeBron James und Larry Bird haben beide drei Championships gewonnen, Bird verlor dazu zwei Finals-Serien, LeBron fünf. Dennoch verweigern viele NBA-Fans LeBron die Aufnahme in den Klub der größten Legenden, wo Bird längst ist. Also wird LeBron die Tatsache, dass er sein Team öfter in die Finals geführt hat, zum Vorwurf gemacht, weil er dort öfter unterlegen war? Das macht keinen Sinn.

Was dazukommt und für mich fast noch schrecklicher ist, ist die peinliche Doppelmoral, mit der die Diskussion oft geführt wird. Denn dieselben Leute, die von den Spielern Championships als Beweis- ihrer Stärke fordern, schreien- am lautesten, wenn Spieler wie LeBron (zu Miami) oder Kevin Durant- (zu Golden State) auch mal unpopuläre Entscheidungen treffen, um ihrer Karriere die Krone aufzusetzen. Diese zwei Sichtweisen passen nicht zusammen!

Was ich sagen will: Auch ich weiß, dass Spieler wie „CP3“ und Carmelo nicht zu den Großen ihrer Generation gehören können, wenn sie nichts gewinnen. Das hat aber auch andere Gründe. Bei Carmelo zum Beispiel, dass er sich im Kopf während seiner Karriere kaum weiterentwickelt hat. Bei Chris Paul, dass er ein Team, das als Contender galt, nicht in die Spur bringen konnte. Alles Meinungen, die ich akzeptieren kann. Aber Ringe als Qualitätskriterium für Spieler zu sehen und andere Dinge auszublenden, das geht nicht.

NBA-Star Carmelo Anthony im Trikot seines neuen Teams Oklahoma City Thunder.

Carmelo Anthony geht jetzt mit den Thunder auf Titeljagd.
Foto: getty images

Markus Unckrich
„Große Spiele sind der Gradmesser“

Die Frage ist keinesfalls neu. Bereits als Wilt Chamberlain 1973 vier Jahre nach Bill Russell seine Laufbahn beendete, kam die Frage auf, wer von den beiden Centern der Bessere gewesen sei. Auf der einen Seite der elfmalige NBA-Champion Bill Russell – ein Winner; auf der anderen Seite mit Chamberlain ein Spieler, der individuell unmenschliche Zahlen aufgelegte und unzählige Fabelrekorde (bis heute) hält. Wilt „The Big Dipper“ Chamberlain hatte 1962 seine beste Scoring-Saison mit grotesken 50,4 Punkten im Schnitt. In der gleichen Spielzeit hatte auch Russell den besten Punkteschnitt seiner Karriere … allerdings mit überschaubaren 18,9 Zählern. Dennoch wird am Ende der Saison der Center der Boston Celtics mit MVP-Ehren gewürdigt. Ein klares Statement: Der (Team-)Erfolg- ist wichtiger als verrückte Stats. Und ich finde es grundsätzlich richtig, dass ein Spieler an seinen Titeln gemessen wird. Denn es sind die großen, die entscheidenden Spiele, in denen wirklich große Spieler den Unterschied machen. In diesen Spielen trennt sich die Spreu vom Weizen. Wilt verlor vier seiner sechs NBA-Finals. Und auch wenn ich Steve Nash und Charles Barkley verehre, sie stehen nicht auf der gleichen Stufe mit den Champions!

Schauen wir in die Gegenwart, haben wir mit Chris Paul einen ähnlichen Fall. Sechsmal führte „CP3“ die Liga bei den Steals an, viermal bei den Assists. Keiner zweifelt an Pauls Qualitäten. Doch in „Do or die“-Spielen wie dem diesjährigen Spiel sieben gegen Utah ist er plötzlich kein Faktor mehr.

Natürlich gehört Wilt zu den besten Spielern der NBA-Historie, aber für die Eins, die Jordan innehat, reicht es trotz seiner genialen Stats nicht. Und Paul wird, weil er kein Sieger-Gen besitzt, völlig zu Recht nie den gleichen Platz wie Siegertypen à la Russell, Magic, Bird, Jordan, Shaq, Kobe oder Duncan einnehmen. Am Ende geht es um den Ring! Und im Kampf darum machen die wirklich Großen alleine den Unterschied und brauchen keine Ausreden.