Auf dem Papier haben die Warriors ihre „zweite Fünf“ im Sommer verstärkt. Die Dominanz würde noch größer werden – so die Befürchtung vieler Experten. Doch ganz so leicht ist es nicht.

So sehr wie die Golden State Warriors in der Saison 2016/17 hat selten ein Team die beste Basketball-Liga der Welt dominiert. Nach der Verpflichtung von Kevin Durant im Sommer 2016 dribbelte, warf und siegte sich die Franchise aus der Bay Area zwar etwas weniger glamourös durch die Regular Season als noch im Jahr davor (15 statt neun Niederlagen), zeigte in den Playoffs 2017 aber ihre unglaubliche Stärke und kam mit nur einer Niederlage aus. Und das in Spiel vier der Finals, gerade so, als hätte sie den Cavaliers dieses eine kleine Lebenszeichen noch gegönnt. Kein Spieler, Coach oder Mitarbeiter der „Dubs“ würde das zugeben, aber dass man in Spiel 5 in Oakland statt in Spiel 4 in Ohio Champion werden konnte, fanden eigentlich alle ziemlich cool. Und nach der 3:0-Führung war ­ohnehin klar, dass die Cavs nicht mehr ­zurückkommen werden. Wie dem auch sei: Die Dominanz der Warriors war fast erdrückend.

Sinnvolle Ergänzungen

Da wirkte es fast bedrohlich, was sich in diesem Sommer rund um den Meister von 2015 und 2017 anbahnte: Denn Curry, Thompson und Co. sollten noch besser werden! Nach dem großen Knall im Vorjahr – ein vierfacher Scoring-Champion schließt sich dem Team an, das gerade 73 Siege geschafft hat – sollte die Weiterentwicklung der Warriors-Dynastie diesmal im Kleinen erfolgen. Auf der Bank! Klar, was ist an einer Starting Five aus Curry, Thompson, Durant, Green und Pachulia noch zu verbessern? Ja, Pachulia. Aber solange es einen Salary Cap gibt, wird eine Verbesserung dieser ersten Fünf schwierig. Auf der anderen Seite: Die Warriors wurden gejagt. Von den Rockets. Von den Celtics. Den Timberwolves. Und ­natürlich den Cavaliers. Stillstand ­wäre also Rückschritt gewesen. Und wer das beste Team aller Zeiten sein will, darf sich das nicht erlauben. Aber: Die Vorzeichen, die „Unschlagbaren“ noch besser zu machen, ohne dabei für große Schlagzeilen sorgen zu müssen, standen ganz gut, zumindest in der Theorie.

Das Team blieb zum größten Teil zusammen, mit Ian Clark, Matt Barnes und James Michael ­McAdoo waren nur drei Rollenspieler als Abgänge zu beklagen. Und: Für sie holte das Front Office der Warriors drei passende Ersatzleute. Talentiertere und vielseitigere Upgrades, die euphorisch machten. Oder ängstlich – je nachdem, auf welcher Seite man steht. Den Spot von Clark als Backcourt-Backup übernahm Ex-Laker Nick Young, der mit seiner Firepower und seinen „Microwave“-Fähigkeiten ein wichtiges Puzzlestück werden sollte. Für Matt Barnes kam ­Omri Casspi an Bord, der zwar ein leicht schwächerer Verteidiger ist, ansonsten aber deutlich besser ins Konzept der Warriors passt als sein Vorgänger. Und als Ersatz für ­McAdoo wurde Oregon-Forward ­Jordan Bell an Land gezogen, nachdem der an 38. ­Stelle von den Bulls gedraftet worden war. Die Schlussfolgerung war klar: Die Warriors sind jetzt noch ­besser als im Vorjahr. ­Klarer Fall, oder? Antwort: Klarer Fall schon, aber eher klarer Fall von „­Denkste!“. Denn so einfach ist die Rechnung nicht.

Shaun Livingston spielt seine vierte Saison im Trikot der Golden State Warriors (Foto: Getty Images).

Stehen geblieben?

Nach 30 Spielen standen die Warriors bei 24 Siegen und sechs Niederlagen. Alles andere als schlecht, auch wenn sie damit die Liga ­aktuell nicht mehr dominieren. Denn die Celtics (24-6), die Rockets (25-5) und die Cavaliers (22-8) sind auf Augenhöhe. Und der Eindruck hat sich verfestigt: Während die Konkurrenz stärker geworden ist, sind die Warriors eher stehen geblieben. Und das ist weniger den Startern vorzuwerfen: Steph Curry (26,3 PPS, 6,6 AS, 5,1 REB) und ­Kevin Durant (26,1 PPS, 7,0 REB, 5,3 AS) legen Saisons auf, die sie ins MVP-Rennen katapultieren. Klay Thompson trifft so effektiv wie noch nie in seiner Karriere (50,5 % Field Goals, 47,2 %  ­Dreier). Und Draymond Green spielt fast exakt die Saison des Vorjahres nach, als er „­Defensive Player of the year“ wurde.

Die Probleme, auch wenn es sicher Luxus-Probleme sind, liegen an anderer Stelle. Genauer gesagt: Bei den Bank-Spielern der Warriors, die dem Team die wichtigsten Minuten geben sollen. Zum Beispiel Shaun Livingston. ­Wäre anderswo vielleicht Starter, spielt aber wenig effektiv (Player ­Efficiency Rating: 10,6). Das gleiche gilt für Andre ­Iguodala, der für die Form dieses Jahres (6,0 PPS in 26 MIN, PER: 10,8) einen Hardcore-Vertrag über drei Jahre und 48 Mio. Dollar unterschrieben hat. Auch Nick Young trifft verlässlich (41,4 % Dreier), pendelt aber sehr gerne zwischen Welt- und Kreisklasse. Die Licht­blicke heißen Jordan Bell, David West und (ja, wirklich) JaVale McGee, die ihre Minuten auf dem Court effektiv nutzen und regelmäßig für Schwung von der Bank sorgen. Das ist für den amtierenden Meister hervorragend, aber: Der Wunsch wäre ja, dass die wichtigsten Bankspieler auch an ihr Leistungsmaximum kommen. Livingston. Iguodala. Young. Das würde die Warriors wirklich besser machen.

Aktuell jedoch scheint das Rennen um die Championship offen zu sein. Auch, weil die ­Warriors ihre ­Superstars mehr als bisher brauchen. Klar, nicht unbedingt in der Regular Season, aber mit Blick auf die Playoffs. Könnte Golden ­State etwa eine Serie gegen Houston ­ohne Kevin Durant gewinnen? Oder ­ohne Steph Curry? Oder Draymond Green? Klar, 2014/15 und 2015/16 waren sie auch ohne Durant überragend, aber die Konkurrenz war auch nicht so gut. Sollte nun einer der Superstars ausfallen, ­brauchte es eine Bank, die im Titelkampf zum entscheidenden Faktor werden kann. Die pro Spiel mindestens einen ­Akteur ausspuckt, der über sich hinauswächst. Und die im entscheidenden Moment in den Playoffs auch die wichtigen Würfe treffen kann. Doch die Bank der Warriors muss erst einmal beweisen, dass sie so eine ist.

Thomas Werner