Als neuer Franchise-Player kam Lonzo Ball 2017 in die NBA. Magic Johnson erklärte ihn bereits zur Lakers-Legende, Papa Lavar zum besten Spieler der Welt. Lonzo enttäuschte nicht, begeisterte aber auch nicht gerade. Jetzt – seit der Ankunft von LeBron James in „Hollywood“ – ist (fast) alles anders für Ball. Einiges davon vielleicht sogar besser.

Es ist der 15. Dezember 2017. Soeben ist das Spiel der Cleveland Cavaliers gegen die Los Angeles Lakers zu Ende gegangen. Kevin Love klatscht ab, glücklich über den 121:112-Sieg, erst mit Jeff Green, dann mit Kyle Korver. Doch die TV-Kameras interessiert das nicht, denn im Mittelkreis ereignet sich eine Szene, die die ohnehin brodelnde Gerüchte küche zum Überkochen bringt: LeBron James sucht die Nähe zu Lonzo Ball. Plötzlich hält sich der „King“ sein Trikot vor den Mund, um nicht zu riskieren, dass talentierte Lippenleser das Gesprochene entschlüsseln können. Ob „LBJ“ dem jungen Point Guard der Lakers in diesem Moment seine Wechsel-Absichten mitteilt oder ihm lediglich einen väterlichen Rat gibt, ist bis heute nicht überliefert.

Die Szene, die alle Experten endgültig davon überzeugt, dass James 2018/19 in L.A. spielen wird, kommentiert der Superstar anschließend wie folgt: „Was ich ihm gesagt habe, bleibt unter uns. Es gibt bereits genug Hype um Lonzo. Da muss ich das Ganze nicht noch befeuern.“ Aus heutiger Sicht – also nach LeBrons Wechsel zu den Lakers – hat die Flüsterszene großen symbolischen Wert. Gerade für Lonzo Ball. Denn seit der Ankunft des gegenwärtig größten Basketballers der Welt ist der Hype um den „Big Baller“ abgeebbt.

Lonzo Ball
In der College-Liga NCAA war Lonzo Ball Assist-Leader mit 7,6 AS (Foto: Getty Images).

Das rückläufige Medieninteresse ist für Lonzos exzentrischen Vater LaVar Ball sicherlich schmerzhaft, denn das Business, das er um die Karrieren seiner Söhne LiAngelo, LaMelo und allen voran um Lonzo aufgebaut hat, lebt vom irrationalen Hype. Dem Lakers-Akteur selbst dürfte die Tatsache, nun das Scheinwerferlicht teilen zu müssen, guttun. Schließlich erreichte der Zirkus um seine Person in den vergangenen zwei bis drei Jahren Ausmaße, die für keine Person der Öffentlichkeit gesund sein dürften. Schon als Ball für UCLA am College spielte, ließ sein Vater keine Möglichkeit aus, die Klappe aufzureißen und seinem Sohn so jede Menge Druck zu machen. „Für mich ist er besser als Steph Curry“, tönte LaVar Ball einst und verglich ihn mit diesen absurden Worten nicht mit Curry zu College-Zeiten, sondern mit dem fertigen NBA-Superstar, mit dem zweimaligen MVP und dreimaligen NBA-Champ. „Du kannst nicht behaupten, dass ein Typ, der 30 College-Spiele gemacht hat, besser als Steph Curry ist“, sagte Charles Barkley. „Man kann stolz auf seinen Sohn sein. Aber irgendwann wird daraus Dummheit.“ Auch als LaVar am Draft-Abend 2017 verkündete, dass sein Sohn bereits in seiner Debüt-Saison die Lakers in die Playoffs führen würde, erwies er ihm einen Bärendienst.

Bizarre Ablenkungen

Die polarisierenden Aussagen sorgten nämlich von Anfang an dafür, dass Ball zum meist thematisierten Rookie des vergangenen Draft-Jahrgangs wurde. Die Folge: tonnenweise Druck und eine Erwartungshaltung, der niemand gerecht werden kann. Viele NBA-Fans verfolgten seine Auftritte mit Vorfreude, aber auch der Hoffnung, seinem Scheitern beiwohnen zu können. Sportlich sorgten dann andere NBA-Neulinge für Aufsehen: Ben Simmons, Jayson Tatum und Donovan Mitchell stellten den 2. Pick ebenso in den Schatten wie Teamkollege Kyle Kuzma, der erst an 27. Stelle im Draft ausgewählt wurde. Die Konsequenz für Ball: Spott, Hohn und Missgunst! Auch wenn sich die Stats aus Balls Rookie-Saison (10,2 PPS, 7,2 AS und 6,9 REB) durchaus sehen lassen konnten, sorgten seine miesen Wurfquoten (36,0 FG %; 30,5 % Dreier; 45,1 FT %) dafür, dass er trotz aller Vorschusslorbeeren „nur“ ins NBA-„All-Rookie Second Team“ gewählt wurde. Unter allen Spielern, die letztes Jahr mindestens 200 Field Goals versenkten, rangierte Ball mit einer „True Shooting Percentage“ (TS %) von 44 Prozent auf dem viertletzten Platz, bei der herkömmlichen Wurfquote sogar auf dem allerletzten von insgesamt 214 qualifizierten Spielern.

Lonzo Ball
Lonzo Balls Career-High in NBA-Assists liegt bei 13. Dieses Künststück gelang ihm bereits zweimal (Foto: Getty Images).

Vielleicht hatte der Playmaker jedoch, angetrieben vom Geschäftssinn LaVars, auch viel zu viele Ablenkungen abseits des NBA-Courts. Eines der Highlights in diesem Zusammenhang war fraglos ein völlig bizarrer Auftritt des Ball-Clans beim Wrestling-Format WWE-„Monday Night RAW“. Im Rahmen der Showkampf-Veranstaltung saß Lonzo, ebenso wie Bruder LaMelo, völlig passiv im Ring und schaute seinem Vater zu, wie sich dieser im Testosteron-Talk mit Wrestler „The Miz“ völlig zum Affen machte. Dass der Ring werbewirksam mit „Big Baller Brand“-Shirts dekoriert war, versteht sich von selbst. Überhaupt wird den Produkten mit den drei großen „Bs“ mindestens eine ebenso hohe Priorität beigemessen wie den sportlichen Performances. Der erste Sneaker aus dem Hause Ball beispielsweise wurde für astronomische 495 Dollar auf den Markt geworfen. Warum eigentlich? Die Konkurrenz (Nike, Adidas, Jordan, Under Armour) verkauft ihre Schuhe doch auch für unter 100 Dollar! Die Erklärung LaVars: „Jordan kann keine Schuhe für 495 Euro verkaufen, denn er ist nicht Lonzo Ball.“ Das leuchtet natürlich völlig ein!

Doch bei all dem Theater widerfährt Lonzo Ball regelmäßig genau das, was auch in diesem Text passiert – die sportliche Auseinandersetzung mit dem Basketballer Lonzo Ball kommt stets viel zu kurz. Eine objektive basketballerische Analyse liest man über den Perspektivspieler der Lakers nur selten. Viel häufiger wird thematisiert, was seine Brüder in Litauen treiben (Basketball auf fraglichem Niveau spielen) oder in China abziehen (Ladendiebstahl begehen), bei dem US-Präsident Donald Trump intervenieren muss.

Markus Unckrich

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