Sie gingen als krasser Underdog in die Finalserie gegen die Miami Heat. Doch angeführt von Dirk Nowitzki holten die Mavs 2011 tatsächlich sensationell den Titel! Die Krönung eines perfekten Playoff-Runs.

In der Mavericks-Kabine im ­American Airlines Center ist es still geworden. Draußen bejubeln Dwyane Wade, Shaquille O’Neal und Co. den Gewinn der ersten Meisterschaft in der Franchise-Geschichte der Miami Heat, wir schreiben den 20. Juni 2006. Und allzu gerne würde man wissen, was Dirk Nowitzki in diesen Momenten durch den Kopf gegangen ist. In den ersten beiden Spielen mit zwei Heimsiegen das Schiff auf Meisterschaftskurs ­gebracht, verlor der große Blonde mit seinen Mavs die kommenden drei Spiele. Und auch das insgesamt sechste Spiel der Finals von 2006 ging verloren, mit 92:95. 29 Punkte und 14 Rebounds hatte Nowitzki im letzten Spiel des Basketballjahres aufgelegt, und doch die Niederlage nicht verhindern können. „Wir ­haben 2:0 geführt, die Hoffnung war riesig. Und eine Woche später fühlt sich alles nach Zerstörung an“, ­beschreibt er die wohl dunkelsten Tage seiner sportlichen Karriere. „Ich weiß nicht, ob ich mich davon überhaupt noch einmal erhole“, sagt er in der Folge in etlichen Interviews. Auch in der restlichen Basketballwelt – ob man es sich eingestehen möchte oder nicht – herrscht das Gefühl vor, dass Nowitzki sie verpasst hat, seine eine, große Chance. Und dass er in seiner Karriere vielleicht nie wieder an diesen Punkt kommen sollte.

Nowitzki
Erst als Zweiter Europäer nach Tony Parker (2007) erhielt Nowitzki nach der Serie gegen die Heat 2011 den Award des Final-MVPs (Foto: Getty Images).

Als Dirk in den Playoffs der Saison 2006/07 als amtierender MVP mit seinen Mavs sensationell an Position eins gesetzt gegen die „We Believe“-Warriors um Baron Davis, Stephen Jackson und Monta ­Ellis ausscheidet (Für die jüngeren Fans: Es gab tatsächlich mal eine Zeit, in der die Franchise aus Golden State kein ­eigenes All-Star-Team bildete), hat er seinen Ruf weg. Obwohl kein Experte seine basketballerischen ­Fähigkeiten in Frage stellt, sprechen sie ihm unisono das Winner-Gen ab. Er sei zu soft, um ein Team in den Basketball-Olymp zu tragen, „No-Win-Zki“ titeln unzählige „Fach“-Magazine. „Wenn es in diesem Jahr nicht klappt, wann zur Hölle denn dann?“, werden sich jedoch auch in Deutschland die meisten Fans gefragt haben. Denn die 67 Spiele, die Dallas in dieser Saison gewinnt, sollen Franchise-Rekord bleiben – bis heute.

Roster aus dem „Altersheim“

Wir schreiben den 16. April 2011. Die im Westen an Position drei ­gesetzten Mavericks haben in der ersten Playoff-Runde die Portland Trail Blazers zu Gast, konnten in der Regular Season 57 Siege einstreichen und mussten sich somit nur hinter den San Antonio Spurs und den Los ­Angeles Lakers einordnen. Das Team ist gespickt mit Veteranen, die zwar immer noch sehr ordentlichen Basketball zeigen, jedoch zweifellos in vielen Fällen bereits den absoluten Höhepunkt der Karriere hinter sich haben. 

Neben einem 32-jährigen Dirk laufen Jason Kidd (37), Jason ­Terry (33), Shawn Marion (32) sowie ­Peja Stojakovic (33) auf, die übrigen Rotationsspieler können im Vergleich dazu alterstechnisch fast als „Kindergarten“ bezeichnet werden. Tyson Chandler (28), J.J. Barea (26) sowie Caron Butler (30) und ­DeShawn Stevenson (29) runden die älteste Rotation der Playoffs ab. Für die ­ehemaligen Alphatiere ist es die wohl wirklich allerletzte Chance auf den ersehnten Ring. 

Die ersten beiden Spiele gewinnt Dallas, als die Serie nach Portland wechselt, holen sich die Blazers Spiel drei. In der darauffolgenden Partie sieht dann alles nach einem klaren Sieg der Mavs aus, die das Heimteam um LaMarcus Aldridge, Gerald Wallace und Brandon Roy vom Start weg überrollen und mit einer Führung von 67:49 in den Schlussabschnitt gehen. Das quasi vorzeitige Ende der Serie? Brandon Roy hat etwas dagegen. 18 Punkte erzielt er im letzten Viertel und führt das größte Comeback in der Franchise-Geschichte der Blazers an, Portland gewinnt mit 84:82. Es droht ein weiterer Kollaps, er würde weiteres Wasser auf die Mühlen der Kritiker bedeuten, die in Dirk einen Regular-Season-Star sehen. 

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Mit einem 4:0- Sweep gegen die L.A. Lakers beendete Dirk Nowitzki die Dynasty um Kobe Bryant und Phil Jackson (Foto: Getty Images).

Doch dieser gibt die Antwort auf dem Hardwood. Zwei Spiele und insgesamt 58 Nowitzki-Punkte später stehen die Mavs im Conference-Halbfinale. Und vielleicht ist es gerade dieser bevorstehende Kollaps, der in den Mavericks und ihrem Anführer den Glauben weckt, sich von solchen Tiefschlägen nicht mehr beeindrucken zu lassen. Das erfährt der amtierende Meister, die Los Angeles Lakers, am eigenen Leib – in historischer Dimension. Kobe Bryant, Pau Gasol, Lamar Odom, dazu mit Derek Fisher ein abgeklärter Veteran und mit Andrew Bynum einen – zu dieser Zeit wirklich wahr – der besten Center der NBA. Und so sieht es in Spiel eins auch zunächst aus, die Lakers gehen mit 13 Punkten Führung in die Pause. Bis zum Ende des dritten Viertel wächst der Vorsprung auf 16 an. Doch angeführt von 28 Nowitzki-Punkten, klauen die Mavs Spiel eins im Staples Center. Ein Schock, von dem sich die lila-goldene Traditionsfranchise nicht mehr erholt. Spiel zwei gewinnen die Mavs in L.A. deutlich, in Spiel drei schenkt Dirk Kobe und Co. 32 Punkte ein. Im Closeout-Game zeigt sich dann der ganze Frust der Lakers: Andrew ­Bynum wird nach einem Ellbogencheck in die Achsel von J.J. Barea, bei dem man schon am Fernsehen zusammenzuckt, aus dem Spiel ­geworfen, die Mavs treffen 20 Dreier. 

Das 122:86 bedeutet nicht nur eine Machtdemonstration der ausgebufften Veteranen, sondern es ist zugleich das erste Mal in der Basketballgeschichte, dass ein vom elfmaligen Meistercoach Phil Jackson trainiertes Team in einer Playoff­serie kein Spiel gewinnen kann und per „Sweep“ nach Hause ­geschickt wird. Die Dynastie der ewigen Gewinnerfranchise ist endgültig durchbrochen, Kobe und Co. sollen anschließend nie mehr die Finals erreichen. Die bis dato noch meisterschaftslose Franchise aus Dallas hingegen spielt sich in einen Rausch und schwimmt auf einer Welle des Erfolgs in die Conference-Finals, wo die jungen Oklahoma City Thunder warten. Und diese stellen die möglicherweise spannendste „Was-­wäre-gewesen-wenn“-Big-Three der NBA-Geschichte: Russell Westbrook, James Harden, Kevin Durant. Drei Megastars, die allesamt in der Folge den MVP-Titel gewinnen sollen, stehen zwischen den Mavs und der zweiten Finals-Teilnahme nach 2006. 

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Mit Jason Kidd verbindet Dirk Nowitzki eine enge Freundschaft (Foto: Getty Images).

Und schon im ersten Spiel zeigt Dirk, dass er und seine Veteranen den „Grünschnäbeln“ voraus sind. No. 41 stellt einen Playoff-Rekord für die meisten getroffenen Freiwürfe ohne Fehlversuch auf (24) und schreibt am Ende doppelt so viele Punkte in den Boxscore, womit auch „KD“ (40 Punkte) nicht mithalten kann. Die folgenden zwei Spiele sind ausgeglichen, beide Teams gewinnen jeweils ein Mal mit sechs Punkten. Die Serie droht dann in Spiel vier auszugleichen, die Thunder liegen fünf Minuten vor Schluss mit 15 Punkten vorn.

Was dann passiert, zeigt wohl auch dem letzten der Nowitzki-Kritiker, aus welchem Holz der Würzburger geschnitzt ist. Mit einem unfassbaren Run erzwingt Dallas die Overtime, wo den Thunder die Puste ausgeht: Mit 112:105 entscheidet Dallas Spiel vier und, so sind sich sämtliche ­Experten einig, auch die Serie für sich. In Spiel fünf machen die Mavs mit einem 100:96 im American Airlines Center alles klar.

Mick Oberbusch

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