Es gibt nicht genug Superlative, um die Bedeutung von Michael Jordan für den Basketballsport zu beschreiben. Er ist ein Jahrhundertsportler – mit einer Strahlkraft, die weit über den Court hinausgeht. Eben jene Strahlkraft verblasst aber momentan in seiner Funktion als Teambesitzer der Charlotte Hornets, mit denen „His Airness“ auf dem ernüchternden Boden der Tatsachen gelandet ist!

Eine Beschreibung von Michael Jordans sportlicher Karriere bedarf eigentlich keiner Worte mehr. Sein Name wird, ähnlich eines antiken Helden, die Jahrhunderte überdauern. Noch Generationen nach uns werden sich an seine ruhmreichen Tage im Trikot der Chicago Bulls erinnern. Das Jumpman-Logo, das Wings-Poster, seine legendären Sneaker, die Meisterstücke auf der größten Basketballbühne der Welt – alles Symbole und Erinnerungen an einen der wohl größten Sportler unserer Zeit.

Nun sind es also doch wieder einige Worte der Anerkennung geworden. Worte, die der wahren Bedeutung von „His Airness“ aber nicht gerecht werden. Jordan ist „larger than life“, etwas Größeres, etwas Überirdisches. Wie es sich mit Menschen dieses Formats verhält, so faszinieren sie nicht nur während ihrer aktiven Karriere, wir sehen auch nach dem letzten Korb noch bewundernd zu ihnen hinauf – nach dort oben, wo sie über uns schweben, im Olymp der ganz Großen. In manchen Fällen offenbart sich dann etwas, was in der Vergangenheit undenkbar gewesen wäre: Es zeigt sich eine Fehlbarkeit, eine Menschlichkeit, die man diesen Legenden nie zugetraut hätte.

Biografische Verbundenheit

In Michael Jordans Fall zeigt sich das in seiner Rolle als Teambesitzer der Charlotte Hornets. Hier zeigt sich, dass nicht alles, was Jordan anfasst, direkt zu Gold wird. Mehr noch: Nach nun fast einer Dekade als Majority Owner muss man eine fast frevelhafte Frage stellen: Hat Michael Jordan als Teambesitzer versagt? Lauscht man der amerikanischen Presse, dann ist die Antwort eindeutig. „Ich war als Spieler sein größter Fan“, sagt Sportmoderator Skip Bayless von FS1, „doch Jordan hat sich zu einem der schlechtesten Besitzer im US-Sport entwickelt. Und ich sehe kein Licht am Ende des Tunnels.“ Der populäre Sportjournalist Bill Simmons reiht sich in die Kritik mit ein. „Charlotte ist ein schlecht geführtes Team und verfügt über den vielleicht traurigsten Roster der Liga. Es ist vielleicht an der Zeit für Jordan, das Team zu verkaufen“, so der Gründer der Website „The Ringer“.

Jordan

Michael Jordan raucht, wie es sich für einen Mann mit seinem Kontostand gehört, gerne Zigarre (Foto: Getty Images)

Dabei hatte Jordan zu Beginn in Charlotte vor allem eines geschürt – große Hoffnungen. 2006 erwarb „MJ“ eine Minderheitsbeteiligung bei den Charlotte Bobcats, einer jungen Franchise aus North Carolina, die nach ihren erfolgreichen Anfängen zu Beginn der 1990er-Jahre – damals noch unter dem Teamnamen „Hornets“ – nun händeringend nach einer neuen Identität suchte. Wer hätte sie besser liefern können als der wohl bekannteste Sohn des „Tar Heel States“, Michael Jordan höchstpersönlich? Jordan wuchs in Wilmington auf, wurde hier zum gefeierten High-School-Star und gewann mit der University of North Carolina die NCAA-Meisterschaft. Bereits vor seiner Weltkarriere hatte er sich in seiner Heimat unsterblich gemacht – und ist es heute noch. „Dieser Staat war immer sein Zuhause“, erklärt Hornets-Präsident Fred Whitfield, ein guter Freund Jordans seit den Achtzigern. „Es hat eine besondere Bedeutung für die Menschen, dass ihm das Team gehört. Für sie war er immer ihr Junge, der in die Welt hinauszog und großen Ruhm erntete.“ Diese Nostalgie verdrängte anfangs noch die meisten Bedenken, die es bezüglich Michael Jordans Managerqualitäten gegeben hatte. Sein erster Auftritt in der Führungsriege einer NBA-Franchise verlief nämlich wenig vielversprechend. Für die Washington Wizards fungierte er zu Beginn des Milleniums als Teilhaber und „President of Basketball Operations“. Traurige Berühmtheit erlangten diese Tage hauptsächlich dadurch, dass Jordan erst Kwame Brown zum Top-Pick des 2000er NBA-Drafts machte, nur um später selbst wieder die Sneaker für ein drittes Comeback zu schnüren. Nach dem endgültigen Ende seiner Karriere 2003 feuerte Wizards-Besitzer Abe Polin Jordan schließlich aus dem Front Office und ließ den sechsfachen NBA-Champion verbittert zurück. „Ich habe mich betrogen gefühlt“, so Jordan damals. „Hätte ich gewusst, dass ich gefeuert werde, dann hätte ich nie wieder angefangen zu spielen.“

Im September 2019 verkaufte Jordan einen Teil seiner Hornets-Anteile (Foto: Getty Images).

Bei den Charlotte Bobcats sollte alles anders werden. Auch bei diesem Team erhielt Jordan auf sein Drängen hin – und wie auch schon in Washington – volle Entscheidungsgewalt im sportlichen Bereich. Er glaubte, der im NBA-Keller dahindümpelnden Franchise schnell auf die Beine helfen zu können. 2006 draftete er Adam Morrison mit dem dritten Pick im NBA-Draft, doch der Gonzaga-Star entwickelte sich zu einem absoluten „Bust“ und blieb nur zwei Jahre in Charlotte. Auch andere Verpflichtungen, wie beispielsweise jene von Brandan Wright für Jason Richardson, oder die Picks von D.J. Augustin und Gerald Henderson verfehlten ihren Zweck, genauso wie eine Reihe von zweitklassigen Free-Agent-Verpflichtungen. Erschwerend kam die Weltwirtschaftskrise 2008 hinzu. Die Franchise fuhr in ihrem kleinen Markt regelmäßig Verluste ein, verlor laut Fred Whitfield „bis zu 30 Millionen Dollar pro Jahr“. Der damalige Besitzer Robert L. Johnson bot die Bobcats daraufhin zum Verkauf an und fand in Michael Jordan einen dankbaren Abnehmer. Wie es stets in seiner vom unbändigen Ehrgeiz getriebenen Natur lag, wollte Jordan nie einfach nur Teilhaber eines NBA-Teams sein, er wollte alle Zügel in der Hand haben. Er lechzte geradezu nach dem Vorsitz einer Franchise – und 2010 war es soweit. Als erster Ex-Spieler in der Liga-Geschichte wurde er für 275 Millionen Dollar zum Haupteigentümer einer Profimannschaft. „Es war immer mein großes Ziel, nach meiner Spielerkarriere eine NBA-Franchise zu besitzen“, sagte Jordan anschließend. „Die Chance, in meinem Heimatstaat ein Gewinnerteam aufzubauen, ist etwas ganz Besonderes.“ So sehr die ganze Geschichte auch nach einem Märchen klingen mochte, die großen Herausforderungen und schwierigen Umstände in Charlotte blieben allgegenwärtig. Darüber konnte auch die erste Playoff-Teilnahme der Bobcats im Übernahmejahr nicht hinwegtäuschen.

Der Geschäftsmann Jordan

Nun also mit der gesamten Entscheidungsgewalt ausgestattet, legte Jordan mit Nachdruck Hand an – vor allem auch neben dem Court. Er begann, die Frühgeschichte des NBA-Basketballs in Charlotte zu zelebrieren und benannte das Team 2014 in Hornets um. Mit einer aggressiven Marketing-Kampagne positionierte der seit jeher erfolgreiche Geschäftsmann sein Team am Markt und steigerte mithilfe von etlichen Kampagnen das lokale Interesse. Immer wieder beschwor er die Nähe des Teams zur Bevölkerung und schuf Symbiosen zwischen Profisport und Gemeinde. Die Time Warner Cable Arena, heute Spectrum Center, unterzog er, in Kooperation mit der Stadt, einer umfassenden Renovierung. Das neue Stadion machte es möglich, dass 2019 das All-Star-Game erstmals in der Queen City gastierte. Finanziell haben sich die Hornets unter Jordans Führung zu einer soliden Franchise entwickelt. Basketball bedeutet in Charlotte wieder etwas.

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Autor: Moritz Wolltert